Aus der Puppenwelt Japans
- ashleysgallery
- 18. Sept. 2018
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Aug. 2024
Artikel veröffentlicht auf Suite501 2005

Recht wenig kann man im deutschsprachigen Raum über die Puppenwelt Japans erfahren. Vielen Zeitgenossen erscheinen diese Wesen fremdartig oder gar mysteriös. Dabei ist ihre Welt so vielschichtig und interessant.
Durch die selbstgewählte Isolation des Landes, welche nur von einigen relativ kurzen Perioden der Öffnung unterbrochen wurde, entwickelte sich über die Jahrhunderte eine ganz eigenständige und bis auf wenige Ausnahmen kaum von außen beeinflusste Kultur.
Dies spiegelt sich auch in der Welt der Puppen wieder. In der westlichen Hemisphäre wohl bekannteste Art ist die Ichimatsu Ningyo. Viele Namen begleiteten sie seit ihrem ersten Erscheinen "Yamato Ningyo", "Daki Ningyo", "Ichima-san", "kakae Ningyo", "Torei Ningyo", "Mimatsu", "Muschelkalk Puppe" oder auch stummer Botschafter. Entstanden ist diese Puppenart etwa in der Mitte der Edo Periode (1603 bis 1868).
Ein meisterlicher Puppenmacher porträtierte den damals berühmten Schauspieler Ichimatsu Sonagawa. So kam die Puppe auch zu ihrer geläufigsten Bezeichnung. Bald gehörte es zum guten Ton in Kreisen des Schwertadels, seine Kinder auf diese Art porträtieren zu lassen. Derartige Puppen sind heute nur noch selten zu finden und der Wert eines solchen Schatzes ist auch dementsprechend hoch. Die Ausstattung allein ist schon ein Traum! Die Bekleidung ist aufwendig und oft gestalteten bekannte Kimonomaler die Dessins. Selbstverständlich trugen diese Puppen auch die Wappen ihrer Familien auf den Kimonos. Sie gehörten ja schließlich zur Familie! Gefertigt werden sie aus Papiermasche oder Masse mit geradezu realistischem Körperbau. Der Rohkörper bekam einen Überzug aus einer Mischung von Farbe und zerriebenen Muscheln. Den Abschluss bildeten dann die Bemalung und das Polieren der Oberfläche. So entstand das opake fast porzellanartige Aussehen dieser Puppen. Echte Glasaugen und Perücken aus Menschenhaar lassen oft den Eindruck zu, die Puppe würde uns direkt anschauen oder sich sogar im nächsten Moment bewegen. Ichimatsu besitzen wirklich einen ganz eigenen Zauber - und das ist auch heute noch so! Gegen Ende der Edo Periode wurden diese Puppen auch für die reichen Bürgerschichten erschwinglich. Man ging nun dazu über, ihnen liebliche Kindergesichter zu geben aber auf die aufwendige Bekleidung wurde immer noch großer Wert gelegt. Der Erwerb einer solchen Puppe stellte eine beträchtliche Investition dar. Die Puppe bekam immer einen eigenen Namen sowie den Familiennamen ihrer neuen Besitzer und wurde von Generation zu Generation weitergegeben.
Mit der Meiji Restauration (1868-1912) und der damit verbundenen Orientierung des Landes an einen westlichen Lebensstil, entdeckte man die Puppe für den Export. Ihre Herstellung wurde jetzt stark vereinfacht und die Ausstattung war bei weitem nicht mehr so aufwendig wie für den japanischen Bedarf. Teilweise wurden die Kimonos aus einfacheren Baumwollstoffen anstelle der teuren Japanseide gefertigt und sogar miteinander verklebt. In diese Zeit fällt auch die Entstehung der "Hai-hai Ningyo"- eine dem westlichen Geschmack nachempfundene Babypuppe mit babyhaften Gliedmaßen. In der Zeit von 1900 bis ca. 1930 galt es in den besseren Kreisen der westlichen Welt zum gehobenen Lebensstandart, seine Tochter mit einer japanischen Puppe ablichten zu lassen. Zahlreiche Postkartenmotive und Familienfotos belegen dies. Anders als in Japan waren diese Puppen hierzulande eher ein Luxusspielzeug. In der heutigen Zeit gelangen Ichimatsu Puppen zumeist als Reisesouvenir zu uns, leider auch oft in minderwertiger Qualität. Das heißt aber nicht die großen Puppen der berühmten Puppenkünstler wären Geschichte - auch heute bekommt man noch wunderbare Stücke in traumhafte Kimonos gehüllt. Die Preisen dafür beginnen bei etwa 500,-€ und nach Oben sind kaum Grenzen gesetzt! Denn auch nach mehr als 400 Jahren sind Ichimatsu Puppen wohl immer noch so etwa wie ein Statussymbol!


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